Heute möchte ich Euch Jule von Hey Mama Wolf vorstellen, die seit kurzem Ihre handgefärbten Garne in ihrem Etsy Shop Hey Mama Wolf Yarns anbietet. Ihre Garne sind sehr besonders. Sie werden aus der Wolle von Schafen hergestellt, die die Heiden, Deiche und Wiesen in Ost- und Norddeutschland abweiden. Nachdem die Wolle in Tschechien versponnen wurde, wird sie von Jule mit Pflanzenfarben und Pflanzenfarbextrakten handgefärbt. Größtenteils verwendet sie dabei selbst gesammeltes oder biologisch angebautes Pflanzenmaterial.
Ich folge Jule schon seit langer Zeit auf Instagram und habe gespannt auf die Eröffnung ihres Shops gewartet. Nun ist es so weit und ich wollte genauer erfahren wie sie überhaupt zu dem kam, was sie heute tut. Das Lesen ihrer Antworten hat mich so begeistert, dass ich am liebsten einmal beim Färben dabei wäre. Es ist ein unglaublich spannendes Feld und ich wünsche Euch nun viel Spaß beim Eintauchen in diese Welt.
Deine Reise zu den Hey Mama Wolf Yarns beginnt eigentlich beim Stricken, denn neben Deinem Unternehmen für handgefärbte Garne bist Du auch leidenschaftliche Strickerin. Wie kamst Du überhaupt zum Stricken?
Die ersten Maschen habe ich mit ca. 10 Jahren gemacht. Meine Großtante nahm mich beiseite und meinte – „Kind, du musst stricken lernen.“ Und ab da strickte ich hauptsächlich für meine Puppen. Richtig stricken gelernt habe ich später bei Bella, einer russischen Einwanderin, in Tel Aviv am Shenkar College. Bella kann alles und brachte uns sehr viel bei. Bei Ihr habe ich Socken stricken quasi auf Universitätsniveau gelernt. Zurück in Berlin lernte ich Tanja Lay von handmade Berlin kennen, die gerade ihren Laden eröffnete. Sie suchte jemanden für Strickkurse. Dort und jetzt im Wollen Berlin biete ich Strickkurse an. Ich würde sagen, durch die Kurse und die wunderbaren Teilnehmerinnen (3 Männer in 8 Jahren!) habe ich tatsächlich am meisten über das Stricken gelernt.
Das Stricken war also auch während Deines Studiums in Textil- und Flächendesign immer Allgegenwärtig?
Ich habe zum Anfang meiner Studienzeit gegenüber der Fadeninsel in Berlin-Kreuzberg gewohnt und war dort Stammkundin (sehr viel später, habe ich dort sogar im Verkauf gearbeitet). Ich habe vor allem in den Kunstgeschichtsvorlesungen gestrickt. Es war stickig und dunkel, der Projektor brummte und das Stricken hat mich wach gehalten.
Im letzten Jahr meines Studiums wurden wir im Betriebswirtschaftsseminar gebeten eine Art Businessplan für das eigene Unternehmen zu schreiben. Ich wusste nicht, wie es aussehen sollte, mein Unternehmen. Aber ich wusste sehr klar, es muss Stricken in der einen oder anderen Weise beinhalten. Der Prof fand das allerdings gar nicht so klar.
Wie kam es dann zur Gründung Deines Labels Hey Mama Wolf? Und wie kam es, dass das Stricken im weitesten Sinne tatsächlich zu Deinem Beruf wurde?
Nach dem Studium wurde ich prompt schwanger. Ich hatte einen kleinen Blog, wo ich hauptsächlich meine Kurse anbot. Und darüber fanden mich wieder und wieder kleine Modedesignerinnen und Kostümbildnerinnen. Als meine Tochter erst 4 Monate alt war, fing ich an Modellanfertigungen zu machen. Es ließ sich wunderbar in den Alltag mit einem Säugling integrieren. Entweder ich führte einen Entwurf aus oder ich entwarf die Strickstücke passend zur Kollektion. Zu meinen bekanntesten Kundinnen gehörte Sarah Illenberger. Zu Anfang fertigte ich die Modelle noch selbst. Nach und nach wurde die Auftragslage so gut, dass ich dazu nicht mehr kam. Einige Strickerinnen erledigten das für mich mit bravour. Zu meinen prominentesten Strickstücken zählen die, die in den Filmen „Cloud Atlas“ und „Der Medicus“ im Kino zu sehen waren. Das war eine wunderbare und spannende Arbeit, die ich sehr gerne gemacht habe.
War es dann ein logischer Schritt, dass Du vom Handstricken zum Spinnen und Färben kamst und Dir Dein Material quasi nun selber herstellst?
Ich beschäftigte mich immer mehr mit der Technik des Strickens und Häkelns. Ich wollte in die Tiefe gehen und so kam ich dazu, spinnen zu lernen und mehr über die verschiedenen natürlichen Materialien zu erfahren. Wochenlang vertiefte ich mich in Bücher über das Material Wolle. Sie ist faszinierend, kann ich nur sagen. Mit einer Freundin begann ich ein Kindermodelabel für Strick zu planen. Die verwendete Wolle sollte regional und ökologisch produziert sein. Möglichst in Deutschland. Wir haben nichts gefunden, dass unseren Ansprüchen genügte und für Kindermode einsetzbar war. Über diese Suche kam ich zu der Idee, diese Wolle selber herzustellen.
Das Spinnen ist ja das eine. Du färbst Deine Fasern ausserdem selbst. Wie kam es denn dazu?
Über das Färben hatte ich mir bis dahin noch gar keine Gedanken gemacht. Zwei Freundinnen sprachen mich unabhängig voneinander darauf an, ob ich mich mit Pflanzenfarben auskenne. Einmal mit dem Färben angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören und es war gut, dass ich mich an diesem Punkt so gut mit der Faser auskannte. Es ist erstaunlich, wie diese strahlenden Farben aus teilweise sehr auf den ersten Augenschein unspektakulär aussehenden Pflanzen entstehen. Ich kannte mich auch vorher schon gut mit Kräutern, Bäumen und Blumen aus und so war das Färben mit Pflanzen ein Schritt, in dem sich alles zusammenfügte.
Kannst Du uns ein wenig mehr über die pflanzlichen Farben erzählen? Was sind ihre Vorteile gegenüber chemischen Farben?
Pflanzenfarben sind tiefer gehend als chemische Farben, die aus Mineralöl gewonnen werden. Sie verändern sich sehr viel stärker mit den sich verändernden Lichtverhältnissen. Sie sind auch unberechenbarer. Der Standort der Pflanze, die Bodenverhältnisse und das Wetter in dem Jahr haben Einfluss auf das Färbeergebnis. Genauso das verwendete Wasser, die Wetterverhältnisse und die Töpfe in denen gefärbt wird. Das macht es spannend und so kann kein Ergebnis gleich sein und jede Färberin hat ihre Handschrift.
Wie genau funktioniert denn das Färben mit Pflanzen? Erzählst Du uns ein wenig genauer wie das abläuft?
Was besonders spannend beim Arbeiten mit natürlich Materialien ist, ist dass das Ergebnis immer von vielen, vielen Faktoren abhängt. Bei der Wolle wie bei den Pflanzen. Wie war das Wetter in dem Jahr und an dem Tag, wie alt ist Pflanze, zu welcher Jahreszeit wird gesammelt, wie ist die Bodenbeschaffenheit, etc. pp. Gleiches gilt für das Färben an sich. Benutze ich getrocknetes oder frisches Material, ist es ein Emaille oder ein Kupfertopf, färbe ich kalt und mit viel Zeit oder heiß, wie ist das Wetter am Färbetag, usw.
Zuerst wird das Pflanzenmaterial geerntet oder gesammelt und anschließend in Wasser eingeweicht. Blüten werden teilweise nur mit heißem Wasser übergossen, Baumrinden dagegen können einige Tage brauchen. Meist wird das Ganze noch gekocht und dann durch ein Tuch abgeseiht. Dies nennt sich dann die Flotte. Die Wolle muss meistens auch für das Färben vorbereitet werden, das sogenannte Beizen. Das zu färbende Material (das Färbegut) wird mit der Beize zum Sieden gebracht und dann ca. 1 Stunde so gehalten. Das gebeizte und ausgespülte Färbegut kommt später in die abgekühlte Flotte und wird wieder bist zu einem bestimmten Punkt erwärmt. Nach einer Weile abtropfen und trocknen lassen und fertig ist die gefärbte Wolle.
Ein konkretes Beispiel: Der Bioladen bei mir um die Ecke hat öfter Mal Möhrengrün abzugeben. Ich weiche es über Nacht ein und koche es am nächsten Tag aus. Währenddessen beize ich die Wolle. Die Möhrengrünflotte seihe ich durch ein Mulltuch ab, wasche die Wolle aus und warte, bis die Flotte wieder max. 40 °C hat. Dann füge ich die Wolle hinzu und erhitze das ganze wieder.
In dem nächsten Makerist-Magazin, das im Januar erscheint, zeige ich Schritt für Schritt wie mit schwarzen Bohnen gefärbt werden kann.
Woher beziehst Du die Wolle zum Färben?
Die Wolle kommt aus deutschen Betrieben. Zumeist sind es Kleinstschafhaltungen. Es würde sich für diese Schäfer nicht lohnen, sich zertifizieren zu lassen. Mein zweites Garn ist eine zertifizierte Bio-Wolle. Mein Ziel ist es über kurz oder lang noch ein weiteres Bio-Garn anbieten zu können, das von Betrieben kommt, die ich persönlich ausgewählt habe. So könnte ich meinen Kundinnen klar vermitteln, wo ihr Strickgarn herkommt.
Du hast Dich bewusst für Wolle von deutschen Schafen entschieden. Warum?
Genau so wie ich gern die Geschichte, wie es zu eine bestimmten Farbe gekommen ist erzähle, ist es mir auch bei der Wolle in erster Linie wichtig, was sie mir erzählen kann und nicht, ob sie besonders weich ist. Ich mag die kräftigeren Wollen meist lieber. Sie haben einen anderen Stand und nehmen die Farben ganz anders auf, da sie einen höheren Glanz haben. Und so ist mein eines Garn ein recht robustes. Diese Wolle brauchen die Norddeutschen Schafe einfach auch um das Klima zu vertragen. Das Biogarn ist etwas weicher, aber dennoch mit Charakter.
Die Dinge, die um uns herum wachsen, sind es meist, die uns Gutes tun. Und so kann ich es nicht verstehen, warum wir Wolle kaufen, die dreimal um den Globus geschickt werden muss, um bei uns anzukommen. Die Schafe stehen in Australien, werden teilweise miserabel gehalten. Die Wolle wird dann nach Asien verschifft um dort gesäubert, versponnen und gefärbt zu werden. Geknäuelt wird dann oft irgendwo in Europa, damit sie dann zu günstigsten Preisen in unsere Taschen wandern. Welch eine Verschwendung von fossiler Energie! Wenn ich Wolle kaufe, dann gerne welche, die dort produziert wurde, wo ich sie kaufe. Dann weiß ich genau, sie kommt vielleicht eine lange Strecke zu mir, hat aber vorher nicht schon eine Weltreise gemacht.
Was hast Du für Pläne für die Zukunft von Hey Mama Wolf?
Demnächst werden meine Familie und ich raus aufs Dorf nach Brandenburg ziehen, dort habe ich Platz für eine ordentliche Werkstatt. Ich möchte meine Färberpflanzen selber anbauen und die Möglichkeit haben, das verwendete Pflanzenmaterial über den Kompost wieder dem Kreislauf zuzuführen. Das ist hier in Berlin nur bedingt möglich. Ich möchte im Herbst vor die Türe gehen und nach einem Sturm heruntergefallene Äste und Eicheln zum Färben sammeln können.
Wir möchten in allen Teilbereichen unseres Unternehmens höchste ökologische Maßstäbe ansetzen. Sei es das Papier und die Druckfarben der Anleitungen, das Verpackungsmaterial und die Banderolen für die Knäule, mechanische Waagen statt batteriebetriebener, ein grüner Webhost oder Strom aus regenerativen Quellen. Das klappt nicht alles gleich und sofort, aber wir geben unser Bestes um zum besten Ergebnis zu kommen. Wir sind offen für neue Ideen, was die Nachhaltigkeit unseres Unternehmens betrifft.
Vielen Dank für Deine Antworten, Jule.
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Alle Fotos wurden mir für diesen Artikel von Hey Mama Wolf zur Verfügung gestellt.
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