{Designerin des Monats}

Wer einen Text über die Strickdesignerin Claudia Eisenkolb schreiben möchte, hat gleich mehrere Möglichkeiten für einen Einstieg. Zum Beispiel ist da die Tatsache, dass die Frankfurterin nicht so gern Socken strickt – ihre ersten Designs aber fast ausnahmslos Socken waren. Oder – und damit trifft man ihr Herzensanliegen – man wirft einen Blick auf statistische Daten der deutschen Bevölkerung. 

Fokus auf passgenaue Strickmode: Claudia Eisenkolb.
Foto: ©️ privat

Hier erfährt man unter anderem, dass die durchschnittliche Frau in Deutschland zirka 165 Zentimeter groß ist und rund 69 Kilogramm wiegt. Doch genau hier fängt ein Problem an, dessen sich Claudia angenommen hat: Es sind Durchschnittswerte. Wer den Blick nach links und rechts schweifen lässt und sich andere Frauen anschaut, wird eine Menge an Größen und Körperformen sehen – die wenigsten aber werden genau den Durchschnitt treffen. 

Von Mode, die passt 

Nun sind es nicht so sehr die Daten an sich, die die Strickdesignerin mit dem grauen Bobhaarschnitt beschäftigen, sondern vielmehr die Dinge, die daraus resultieren. “Ich bin noch nie der Durchschnitt gewesen”, erinnert sie sich. So war sie schon als Kind recht groß, hatte aber immer einen kürzeren Hals, auch wenn ihr diese Tatsache erst viel später bewusst wurde. Claudia, die eigentlich Diplom-Ingenieurin ist, beschäftigt sich viel mit dem Thema Mode und Passform – und das nicht erst, seit sie selbst Strickmode entwirft. 

Gestrickt hat sie schon in jungen Jahren – angefangen ganz klassisch im Unterricht. “Nadelarbeit” hieß das zu ihrer Zeit und war, nun ja, nicht immer von Erfolg gekrönt. “Meine Oma musste die Sachen zu Ende stricken”, erzählt sie lachend. Die wiederum war gelernte Schneiderin, eine familiäre Veranlagung für Handarbeiten war also auf jeden Fall vorhanden. Und so nahm die “Strickkarriere” ihren Lauf: Mit 14 gab es den ersten Pullunder, immer mehr Taschengeld floss in Garnkäufe und der ein oder andere eigene Designversuch wurde gestartet. 

Wenn die Pullover nicht richtig sitzen 

Nachdem der Anleitungsmarkt für Strickkleidung weiterwuchs, hat auch Claudia immer wieder nach bestehenden Anleitungen gestrickt, aber irgendwann feststellen müssen: Hier passt etwas nicht. Vor zirka 15 Jahren war das. Aber was genau nicht stimmt oder wo es hakt? Das war nicht so recht auszumachen. Und dann passierten mehrere Dinge fast gleichzeitig. 

Da war zum Beispiel ein Strickfest in London und eine gemeinsame Teepause mit einer Freundin. Die beiden begannen ihre Schultern auszumessen. “In diesem Moment bekam ich die Antwort, warum mir vor allem Raglanstrickjacken von der Schulter rutschten”, erzählt Claudia. Ihre Schulterbreite ist schlicht schmaler als die Maße, die den meisten Strickanleitungen für ihre Größe zugrunde liegt, die anhand der Oberweite ermittelt werden.  

“Wir sehen das, was wir von uns denken, aber nicht das, was wirklich ist” 

Vielleicht den größten Aha-Moment brachte dann eine Farb- und Stilberatung, die sich Claudia vor ein paar Jahren zum Geburtstag schenkte. Die Beraterin stellte die Designerin vor eine Wand und zeichnete ihre Körperform ab. Zu ihrem großen Erstaunen stellte Claudia fest, dass sie eine Taille hat – ein Abschnitt, von dem sie lange glaubte, sie besäße ihn nicht. Und auch der Satz “Du hast einen kurzen Hals” fiel und erklärte, warum Rollkragen-Pullover nie auf die Nadeln gewandert sind. Heute sagt Claudia: “Ich finde es so wichtig, seine Körperform zu kennen. Wir sehen das, was wir von uns denken, aber nicht das, was wirklich ist.”  

Cardigan Winding Bands. Bei Claudias Designs ist jedes Detail auf genaue Passform hin durchdacht.
Foto: ©️ Claudia Eisenkolb

Dieser Satz beschreibt im Grunde genau Claudias Motivation für ihre Arbeit als Designerin. Und die geht weit über das Entwerfen von Strickmode hinaus. Denn neben ihren Designs will die Frankfurterin anderen Frauen dabei helfen, ihre Körperform zu erkennen, zu akzeptieren und passgenaue Mode zu stricken. Und auch hier war es wieder der Zufall, der ihr diesen Arbeitsschwerpunkt bescherte.  

Immer wieder der Zufall 

Eine Handfärberin aus Berlin fragte Claudia, ob sie nicht Lust hätte, in ihrem Geschäft einen Workshop zu geben. “Das Thema war aber nicht so meins”, erinnert sich Claudia. Also kam die Frage auf: “Was kann ich denn gut?” Die Antwort hierauf gilt bis heute: Oberteilanleitungen an den eigenen Körper anpassen. Die Nervosität im Vorfeld des Workshops war groß – begeisterte Teilnehmerinnen bestärkten sie aber und so gibt Claudia bis heute on- wie offline Workshops zum Thema Stricken und Passform. 

Shirt Pimentón: Die Anleitung enthält Beschreibungen für unterschiedliche Taillenformen, so dass für jede Trägerin etwas dabei ist!
Foto: ©️ Claudia Eisenkolb

Mit das größte Projekt in jüngster Zeit war vermutlich das Buch “Maßgestrickt – Der Weg zur perfekten Passform”, das im vergangenen Jahr im Stiebner Verlag erschienen ist. Die Anfänge gehen bis Anfang 2020 zurück auf eine Anfrage der Verlagsleiterin. Es gäbe so viele Bücher zum Thema Nähen und Anpassen, warum etwas Ähnliches nicht auch einmal fürs Stricken umsetzen? 

Das Buch – ein Bestseller 

Dass das Buch genau Claudias Ansatz widerspiegelt, merkt man sofort: Auf knapp 200 Seiten erzählt sie von ihrem Werdegang, ihren eigenen Erfahrungen, gibt detaillierte Schritt-für-Schritt-Anweisungen und vor allem: arbeitet sie für die einzelnen Modellen mit verschiedenen Körperformen. “Jeder versucht, sich irgendwo einzuordnen”, sagt sie. “Das geht aber nicht.” Und so stehen für ihre Modelle fünf Strickfreundinnen Patin. Jedes Design ist genau auf sie abgestimmt. Ob mit Brustabnäher oder Taillierung – am Ende sitzt es richtig. Dass das Konzept funktioniert hat, zeigt der Erfolg des Buchs: Es wird auf der SPIEGEL-Bestsellerliste geführt, eine zweite Auflage liegt bereits in den Geschäften. 

Ob es jetzt wieder ruhiger wird bei Claudia Eisenkolb? Bestimmt nicht. Neben ihrem Hauptberuf als Ingenieurin denkt sie über ein weiteres Buch nach, arbeitet an der Weiterentwicklung ihres Onlinekurses, konzipiert einen Newsletter und stürzt sich in ihre “Masterclasses” zu Themen wie Fehlervermeidung beim Pulloverstricken und das Arbeiten von Raglan. Leiten lässt sie sich bei allem von ihrem Hauptanliegen: Frauen alles an die Hand zu geben, was sie für ein erfolgreiches Strickprojekt brauchen. Dazu gehört das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten genauso wie die Akzeptanz des eigenen Körpers. “Das ist so wichtig”, sagt sie. “Dafür will ich das Bewusstsein schärfen.” 

Workshoptermine mit Claudia

Am 13. April 2024 ist Claudia von 10 bis 14 Uhr zu Gast im Schwedenrot Loft in Koblenz. 

Am 7. September gibt es einen Workshop in Iserlohn.

Weitere Informationen sowie die Links zur Anmeldung gibt es auf dieser Seite.

Claudias Webseite

Claudias Instagramprofil

Sophia

Über Sophia

Ich bin Sophia, lebe in Hannover und kümmere mich seit Oktober 2020 um die Blogbeiträge, den Newsletter, plane den Podcast und denke mir Aktionen für Social Media aus. Ganz nebenbei bin ich zufälligerweise auch stricksüchtig, was mir bei der Arbeit zugute kommt.

Alle Beiträge von Sophia anzeigen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert